Skoda

Claudia Skoda kam Mitte der 70er zum Modedesign und blieb seitdem ihrem avantgardistischen Strickkonzept treu. Der unverwechselbare Stil ihrer körpernahen, schicken Strickkleider aus edlen, hauchdünnen Garnen hat sie zu einer der einflussreichsten und bekanntesten Strickdesignerinnnen der Welt gemacht. In den 80er Jahren eröffnete sie ihren ersten Laden in New York, bis sie 1987 in ihre Geburtsstadt Berlin zurückkehrte. Nach einem Laden am Kurfürstendamm und in der Linienstraße eröffnete sie vor ungefähr fünf Jahren ihr Geschäft in der Alten Schönhauser Straße.

In den siebziger Jahren war Berlin-Kreuzberg der Schmelztiegel für Künstler und Anarchisten, Musiker und Models und zudem das Zentrum der Punk-Bewegung. Claudia Skoda und Martin Kippenberger trafen sich zum ersten Mal 1975 auf Ibiza und Skoda lud Kippenberger ein, in ihre Künstler-WG, die „Fabrikneu“, zu kommen und eine Weile dort zu leben. Während dieser Zeit entstand der Boden in Skodas Atelier, der zum ersten mal dann für Modenschau „Neues Spiel“ als Laufsteg diente.
Im Berlin der siebziger und achtziger Jahre war
Meine Kleidung ist schlicht, aber durch die hauchdünnen Garne gleichzeitig sehr körperbetonend und feminin. Die Techniken, Muster und Materialien werden immer so ausgewählt und zusammengestellt, dass man es so vorher noch nicht gesehen hat.

Sie beschäftigen sich seit den 70ern mit Mode. Hat sich ihr Stil über die Jahre verändert?
Meine persönliche Linie habe ich immer verfolgt, doch natürlich wird der Stil durch die aktuellen Strömungen der Gesellschaft und der Zeit beeinflusst – manchmal ist der Stil radikaler und schriller oder manchmal schlichter und eleganter. Trotzdem sind meine Kleider wegen des speziellen Designs immer erkennbar und unverwechselbar. Im Laufe der Zeit ist das Design durch die verbesserten Techniken immer perfekter geworden.

In den 80er Jahren haben sie einige Jahre in New York gewohnt und hatten dort auch einen ”Skoda-Laden”. Welche Bedeutung hat Berlin für Sie und ihre Arbeit?
Wenn die Mauer nicht gefallen wäre, wäre ich wieder nach New York gegangen. Aber als die Mauer fiel,
hatte ich das Gefühl, dass ich als Berlinerin in der Stadt Berlin, die auf dem Weg war eine Weltstadt zu werden, ein ”Statement” machen müsste.
Drei jahre später habe ich meinen Laden am Ku`damm aufgemacht. Dazu fühlte ich mich verpflichtet, das war meine moralische Verantwortung.

Wie würden Sie die heutige Modeszene in Berlin beschreiben?
Das Besondere in Berlin ist, dass sich die Modeszene viel von der jungen und modernen Kunst inspirieren lässt und sich Mode mit Kunst vermischt. Die Mode schreit ständig nach Erneuerungen und die Impulse für neue Ideen ändern sich – aktuell kommen sie aus der Kunst.

Immer mehr junge Designer gründen ihr eigenes Modelabel. Was halten Sie davon?
Durch meine Professur in Hamburg hatte ich viel mit jungen Leuten zu tun und habe junge Designer auch immer ermutigt, sich selbständig zu machen. Wichtig dabei ist aber, dass man sich spezialisiert und versucht, etwas Persönliches zu machen. Ein eigenes Label ist für Modedesigner aber nicht nur
eine Chance zur Selbstverwirklichung, sondern vielleicht auch die einzige und richtige Möglichkeit, um weiter in Berlin arbeiten zu können, da die Arbeitschancen für Designer bei großen Firmen nicht besonders gut aussehen. Die kleinen Labels haben es nicht leicht, doch letztendlich sucht jeder von uns das Individuelle und das findet man nur in den kleinen Läden.

Können Sie sich vorstellen, dass Berlin irgendwann zur Modemetropole werden könnte?
Früher habe ich gedacht, dass das nicht klappt, weil es einfach zu viele andere Städte gibt, die sich darum bemühen. Heute kann ich mir aber vorstellen, dass Berlin international einmal den Modestatus wie New York erreichen könnte. Im Moment spürt man in der Modeszene eine Aufbruchsstimmung, man möchte zusammen etwas erreichen und bewegen. In Berlin gibt es keine Konkurrenzkampf zwischen den Designern, denn diese Stadt bietet viel Freiraum für neue und kreative Ideen.
Wenn ich aufmerksam durch die Straßen Berlins gehe, finde ich immer wieder neue Inspiration, die mich beim Schaffensprozess beeinflusst.
Foto:
Jim Rakete
Foto:
Jeannette Montgomery
Interview

Frau Skoda, wie kamen sie zum Modedesign?
Erst habe ich angefangen Sachen für mich selber anzufertigen, weil es zu dieser Zeit einfach nichts gab. Wer jung war und schick sein wollte, musste sich etwas einfallen lassen. Als ich merkte, dass meine Kleidung auffiel und mich Leute direkt darauf ansprachen, hat mich Modedesign zunehmend interessiert.

Ihre Kleider werden komplett von Hand gefertigt?
Fast alle. Hinter meinem Laden habe ich eine Werkstatt, in der die Muster hergestellt werden. Die richtige Produktion findet in Kreuzberg in einem Subunternehmen statt.

Sie sind Strickdesignerin. Was kann man sich darunter vorstellen oder wie würden Sie Ihren Stil definieren?
Ich designe eben nicht nur Skipullover, sondern versuche allumfassend heranzugehen und eine Mode zu entwerfen, die gestrickt ist, obwohl man das auf den ersten Blick nicht immer sieht. Im Grunde stelle ich meine eigenen Stoffe und Materialien her.
Interview: Anna Theil
Illustrationen:
Luciano Castelli
1978


Claudia Skoda eine Figur mit integrativer Kraft. Die Fabriketage an der Zossener Straße in Kreuzberg, in der sie mit Künstlern lebte und arbeitete: ein Tummelplatz der Avantgarde von damals. Iggy Pop und David Bowie kamen vorbei, wenn Skoda ihre Modenschauen inszenierte. Es ging nicht darum, daß junge Frauen hin und her laufen und dabei lächeln. Ihre Models waren Akteure, die Schau ein Spektakel. Für die Performance „Big Birds" schickte sie die Mannequins zur Vorbereitung in den Zoologischen Garten, damit sie studieren konnten, wie Vögel sich bewegen, und das auf dem Laufsteg imitieren. Ganz Berlin sprach von ihren Happenings. Man verglich „Fabrikneu" mit Andy Warhols Factory in New York.
In diesem Dunstkreis tauchte 1976 Kippenberger auf. Er filmte Claudia und alle Freunde, er fotografierte ihre Arbeit, die Herstellung ihrer Strickmodelle, die Modenschauen. Das Bild, das sich Skoda von ihm bewahrt hat, ist das von dem Mann mit der Zigarette und dem Glas Bacardi-Cola in der Hand. Vielleicht war sie so etwas wie seine Muse, vielleicht aber auch nur ein Mensch in seinem Umfeld, der als Puzzleteil diente für das Gesamtkunstwerk „Kippenberger".
New York - Berlin

1979 packte sie ihre Entwürfe ein und stellte sich bei den großen Kaufhäusern in Manhattan vor.
Die waren interessiert, aber wollten von einem Teil gleich zweihundert Stück. „Das widersprach meiner Auffassung", sagt Skoda heute. „Ich wollte ja nicht kommerziell werden, sondern unabhängig bleiben." Zwei Jahre später eröffnete sie mit ihrem damaligen Mann einen Laden in Soho - direkt gegenüber von Vivienne Westwood.
Nach dem Mauerfall kehrte Claudia Skoda zurück nach Deutschland und eröffnete einen Laden am Ku´damm, anschließend einen in der Linienstrasse und in der Alten-Schönhauser-Strasse. „Eine Avantgarde gibt es nicht mehr, aber viele junge Leute, die interessante Sachen machen!" Und Claudia Skoda macht das, was sie immer machte: Mode - sie fährt nach Mailand, sucht neue Garne, experimentiert mit Mohair und feilt an neuenTechniken.